Kein bisschen altersschwach

DVD-Kritik: «Alien Covenant»
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Wenn Seemänner lange auf See waren und nach festen Boden unter den Füssen lechzten, spielte ihnen ihre Fantasie einen Streich. Sie glaubten wunderschöne Meerjungfrauen zu sehen und folgten ihrem Gesang. Doch sehr oft warteten da keine wunderschönen Wesen, sondern der sichere Tod auf sie. Ihre Schiffe zerschellten an den Felsen und sie ertranken. Die Besatzung der «Covenant» widerfährt das gleiche Schicksal. Sie blenden die Warnsignale aus und folgen blind ihrem Verlangen.

 

Nach fast 40 Jahren möchte man meinen, dass die «Alien»-Filmreihe ihren Zenit überschritten hat. Dem muss man grösstenteils widersprechen. Die Dramaturgie hat sich zwar kaum verändert und Regisseur Ridley Scott bedient sich nach fast vier Jahrzehnten immer noch der gleichen Schlüsselszenen und greift tief in die Horror-Thriller-Trickkiste. Der Plot beinhaltet aktuelle Themen und entwickelt sich vom Achzigerjahre-Schocker mit echten Alienfiguren zum virtuellen Weltraum-Thriller. In «Alien Covenant» ist das Streben nach einer Superrasse und dafür die Vernichtung einer anderen zentral – man beachte die Anspielung auf die Genforschung. Der Androide David (Michael Fassbender, «X-Men»-Filmreihe), der nach den Ereignissen in «Prometheus» gestrandet ist, möchte seine Kreaturen, die Aliens, weiterentwickeln und lockt die Besatzung der «Covenant» auf den Planeten, damit er Wirte für seine Biester findet. Die Aliens sind nicht mehr nur wilde, todesdurstige ausserirdische Wesen. In einer Szene stehen sich David und eine seiner Schöpfungen gegenüber und der Alien hat fast schon menschliche Züge. Aus den instinktgetriebenen Wesen wächst eine intelligente Spezies heran, die es schafft ihre Instinkte zu unterdrücke und mit einem anderen Wesen kommuniziert.

 

Heldin vs. Bestie 

 

Im Kontrast zu dieser Super-Spezies steht die Hauptfigur, die Terraforming-Expertin Daniels (Katherine Waterston, «Fantastic Beasts and Where to Find Them»). Daniels ist anders als die Rollen ihrer Vorgängerinnen Sigourney Weaver und Noomi Rapace. Sie ist nicht die knallharte Kämpferin, die auch noch Auge in Auge mit den Aliens, nicht eine Träne vergiesst und Killer-Instinkt beweist. Sie zeigt die volle menschliche Palette der Angst. Wenn sie mit einer Waffe in der Hand durch das Raumschiff läuft, um das Alien in die Falle zu locken, möchte man ihr behutsam die Waffe aus der Hand nehmen und Daniels schützend umarmen und sagen, dass alles wieder gut wird. Sie zeugt von der Entwicklung weiblicher Heldinnen, die stark sind und doch sehr feminin und keinen männlichen Partner brauchen, um sich selbst zu beschützen. Heldinnen, die ihre sanfte Seite zeigen dürfen und diese nicht mit Schwäche gleichgesetzt wird. Die nicht den perfekten Action-Stunt hinlegen und Angst haben und am Ende trotz fehlender Härte, der Bestie in den Allerwertesten treten.

 

«Alien Covenant» ist wie schon seine Vorgänger ein Horror-Thriller der feinsten Sorte, der seinen Wurzeln treu bleibt. Scott schafft es, sich selbst geschickt zu zitieren, gleichzeitig subtil einen Bogen zu «Alien» zu ziehen und auch noch Fanverlangen zu erfüllen. Ridley Scott schockt noch immer und bei diesem Film brauchen Menschen, die kein Blut sehen können, teilweise einen starken Magen.

 

Wenn der Zuschauer, der alle Vorgängerfilme schon gesehen hat und eigentliche weiss, um was es geht, dennoch bei gewissen Szenen die Hände schützend vors Gesicht nimmt und den Film nur durch zwei gespreizte Finger schaut, sagt das schon viel über den Film aus. Für eingefleischte Fans der «Alien»-Filmreihe und solche, die es bestimmt werden wollen, ein sehenswerter Film, den es sich lohnt zu kaufen.

 

Alien Covenant (USA 2017)

Regie: Ridley Scott

Drehbuch: John Logan, Dante Harper

Besetzung: Michael Fassbender, Katherine Waterston, Billy Crudup, Danny McBride, Demian Bichir, Carmen Ejogo, Jussie Smollett

Laufzeit: 122 Minuten

DVD und Blu-Ray erhältlich.

catarina martins / Di, 19. Sep 2017